Autismus: Beteiligung von Darmbakterien

Die steigende Zahl der Fälle von Autismus lässt vermuten, dass Umweltfaktoren an der Entstehung dieser neurologischen Störung beteiligt sind. Überraschende Ergebnisse weisen darauf hin, dass Störungen in der Zusammensetzung der bakteriellen Darmflora einer dieser Faktoren sein könnten.

Autismus ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die vor dem dritten Lebensjahr auftritt. Autistische Symptome können von Kind zu Kind sehr unterschiedlich sein, aber insgesamt sind sie durch eine beeinträchtigte soziale Kommunikation und eingeschränkte oder sich wiederholende Interessen und Verhaltensweisen gekennzeichnet.

Mehrere Studien deuten darauf hin, dass die Störungen des Autismus-Spektrums in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen haben. Zum Beispiel zeigen Schätzungen der United States Centers for Disease Control and Prevention, dass im Jahr 2000 sieben von 1.000 Kindern von Autismus betroffen waren, während diese Zahl bis 2010 auf 15 von 1.000 Kindern angestiegen ist.

Während ein Großteil dieses Anstiegs sicherlich auf eine bessere Erkennung der Krankheit zurückzuführen ist, befürchten viele Wissenschaftler, dass dieser Anstieg real ist und dass wir eine „Autismus-Epidemie“ erleben, die durch die enormen Veränderungen der Lebensweise in den letzten Jahrzehnten verursacht wurde.

Bei 50% ist die Genetik involviert

Es besteht kein Zweifel, dass die Erbanlagen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von autistischen Störungen spielen. Zum Beispiel ist die Wahrscheinlichkeit selbst einen Autismus zu entwickeln für Kinder mit bereits betroffenen Geschwistern um das Zehnfache erhöht.
Diese genetischen Ursachen sind jedoch nicht so wichtig wie ursprünglich angenommen: Einerseits wurden zwar mehr als hundert Gene identifiziert, die mit Autismus in Verbindung stehen- wobei jedes dieser defekten Gene ziemlich selten ist.

Andererseits zeigte eine umfassende Studie mit zahlreichen Probanden (zwei Millionen Menschen, darunter waren 14.000 Autisten), dass genetische Ursachen nur für die Hälfte der Fälle von Autismus verantwortlich sind. Der Rest ist auf Faktoren des Lebensstils zurückzuführen. Die Identifizierung dieser Umweltfaktoren ist daher von enormer Bedeutung in der Hoffnung, die Häufigkeit von Autismus kurz- und mittelfristig reduzieren zu können.

Darmbakterien fehlen

Viele Kinder mit Autismus haben Magen-Darm-Probleme, und einige Studien berichten darüber, dass die Behandlung dieser Probleme einen positiven Einfluss auf das Verhalten der Kinder haben kann. Da eine ungestörte Darmfunktion auch von den Milliarden Darmbakterien abhängig ist, könnten diese Bakterien umgekehrt auch an der Entwicklung von Autismus beteiligt sein?

Um diese Frage zu beantworten, haben Wissenschaftler die Darmflora von 20 Kindern im Alter von 3 bis 16 Jahren analysiert und mit der von autistischen Kindern gleichen Alters verglichen. Sie beobachteten, dass das Vorhandensein von autistischen Störungen stark mit einer geringeren Vielfältigkeit der Darmflora korrelierte, d.h. einige normalerweise reichlich vorhandene Bakterienarten waren deutlich weniger vorhanden.

Diese Unterschiede sind besonders auffällig bei drei Arten von Bakterien (Prevotella, Coprococcus und Veillonellaceae), die eine sehr wichtige Rolle im Fermentationsprozess von Ballaststoffen und bei der Produktion von entzündungshemmenden Molekülen spielen.

Die intestinale Permeabilität ermöglicht es den Toxinen in den Blutkreislauf zu gelangen.

Es ist möglich, dass dieses Ungleichgewicht in der Bakterienflora die Darmwand durchlässiger macht und dadurch bestimmte toxische Moleküle, die von pathogenen Bakterien freigesetzt werden, in den Blutkreislauf und ins Gehirn gelangen können. Diese Beobachtungen sind eine echte Revolution, denn sie deuten auf eine enge Verbindung zwischen Darmbakterien und Gehirnfunktion hin.

Da Störungen der Darmbakterienflora möglicherweise die neurologische Entwicklung beeinflussen und zu Störungen wie Autismus führen können, könnte die Entdeckung von Substanzen, die die bakterielle Zusammensetzung des Darms positiv beeinflussen, außergewöhnliche Auswirkungen auf die Prävention sowie Behandlung dieser Erkrankung haben.

Quellen:

  • – Sandin S et coll. The familial risk of autism. JAMA; 311:1770-7.
  • – Kang DW et coll. Reduced incidence of Prevotella and other fermenters in intestinal microflora of autistic children. PLoS One, 8:e68322.
  • – Hsiao EY et coll. Microbiota modulate behavioral and physiological abnormalities associated with neurodevelopmental disorders. Cell; 155:1451-63.
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